Autorin
Hochsensible und hochbegabte Kinder in Elternhaus und Schule brauchen keine Sonderrolle, aber verständnisvolle Begleitung.
Ich plädiere für einen empathischen, fehlerfreundlichen und Sicherheit gebenden Umgang mit Kindern, der ihnen den Raum gibt, den sie brauchen, um sich zu zeigen und ihre Fähigkeiten zu erproben. Das Leben hochsensibler und hochbegabter Kinder ist manchmal ein Drahtseilakt zwischen dem Bedürfnis, sich der Mehrheit anzupassen und dem Wunsch, sich selbst treu zu bleiben. Ihr Umfeld verlangt ihnen dabei häufig eine besonders hohe Anpassungsleistung ab. Von denen, die sie begleiten, erfordert dies ein besonderes Maß an Beistand, Anleitung, ja oft ein regelrechtes Coaching. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Schulzeit des hochsensiblen Kindes.
Mein Buch bietet sowohl Hintergrundinformationen zu Persönlichkeitsentwicklung, Resilienz und Lernforschung, als auch zahlreiche Praxisvorschläge zur Förderung des Selbstbewusstseins, zum Umgang mit Emotionen, für Gespräche mit Lehrern u.v.m.
Komm raus, ich seh dich! - Denn jeder braucht jemanden, der ihn sieht und wahrnimmt.
Inhaltsverzeichnis
„Komm raus, ich seh dich!“ erhalten Sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz über den Buchhandel
ISBN: 978-3-9504121-1-6
sowie versandkostenfrei beim Herausgeber,
dem Festland Verlag in Wien
Meine Motivation zu „Komm raus, ich seh dich!“
Anfangs hatte ich beim Thema Hochbegabung so meine Vorbehalte. Ehrlich gesagt kamen Hochbegabte dabei gar nicht gut weg- komische Sonderlinge, Überflieger fernab dieser Welt, Genies? Gleichzeitig schien es immer mehr in meinem Umfeld davon zu geben – wie viele davon waren Kinder, deren Eltern es sich so sehr wünschten, aber weit davon entfernt waren? Und wie viele waren „echte“, die mit der heutigen Forschung einfach besser erkannt wurden als früher? All diese Entwicklungen haben eine Menge Vorurteile und falsche Vorstellungen produziert, die zusätzlich durch wachsende Konkurrenz unter Eltern und Druck auf Lehrer, auf Kinder und ihre Leistungsfähigkeit befeuert werden. Jedenfalls stieß ich irgendwann auf die mögliche Verbindung von Hochsensibilität und Hochbegabung - die schließlich für mich zur Orientierung und häufigem - nicht durchgängigem - Erkennungsmerkmal von „unsichtbar gewordenen“ Hochbegabten zu werden schien.
Vor einigen Jahren begann ich, mich auf Fortbildungen der DGhK (Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind), Seminaren des Deutschen Zentrums für Begabungsforschung und diversen Vorträgen fortzubilden. Ich besuchte Elterngruppen und sprach ausgiebig mit Familien der sogenannten „betroffenen“ Familien. Im Hochbegabtenzentrum in Frankfurt sammelte ich weitere Praxiserfahrungen und absolvierte bei einer seit vielen Jahren in dem Bereich arbeitenden Pädagogin eine zweijährige Lehrberatung zum Thema Begleitung von begabten Kindern. Nicht zuletzt durch all die vielen Begegnungen mit Familien mit einem hochsensiblen und/ oder hochbegabten Kind, kristallisierte sich für mich eines heraus: diese Familien wollen alles, nur keine Sonderrolle oder Etikett. Sie wollen in ihrer Mehrheit nicht herausstechen oder sich hervortun. Eltern tatsächlich hochbegabter Kinder kamen mir sehr oft gar nicht so leistungsorientiert vor, wie ihnen nachgesagt wird. Eher besorgt, selbst verunsichert und häufig sehr aufmerksam für die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder.
Es folgten spannende Gespräche und verblüffende Erfahrungen und stellten mein bisheriges Bild auf den Kopf. Viele der Kinder, die mir bei solchen Gelegenheiten begegnet sind und deren Beratung ich bald übernahm, hatten eine große Anziehung auf mich. Einige beobachteten intensiv mit durchdringendem Blick oder wirkten verunsichert, aber gleichzeitig so klar und reif oder hörten gar nicht mehr auf zu reden - über ihre Themen, ihre Beobachtungen, ihre nicht enden wollenden Gedankenketten.... Sie alle hatten diese unglaubliche Energie, die spürbar wurde – in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit, der Intensität ihrer Verunsicherung oder auch der Riesenerleichterung des Sich-Zeigen-Dürfens.
Diese Energie aufblitzen zu lassen in ersten praktischen Erfahrungen und Beratungen mit hochsensiblen und hochbegabten Kindern, war ein sehr erfüllendes Erlebnis. Die unausgesprochene Botschaft: ich sehe dich und erkenne dein Potenzial, ich behandele dich auf Augenhöhe, schienen besonders die auch hochsensiblen unter den hochbegabten Kinder nicht selten ganz blind und intuitiv zu verstehen. Vielleicht weil sie so wahrnehmungsstark sind oder sie das Gesehen-Werden teilweise lange entbehren mussten? Vielleicht auch, weil ich wohl zumindest auch hochsensibel bin? - wie ich erst im Zusammenleben mit meiner kleinen großen Familie feststellte. Diesen Wesenszug anzunehmen und dann gesund zu integrieren, legte auch bei mir selbst neue Energien frei.
Ich bin überzeugt, dass die Anerkennung dessen, wer man ist und was in einem steckt, allen Menschen Flügel verleiht und sie einfach strahlen lässt. Ganz besonders beglückend ist es, das bei Kindern zu initiieren und miterleben zu dürfen.
Am schönsten ist es natürlich, wenn sie das durch ihre aller engsten Bezugspersonen erfahren. Denn, was diese von ihrem Kind denken und erwarten, das erwartet und denkt das Kind schnell über sich selbst. Ihr Bild wird sein Selbstbild. „Komm raus, ich seh dich!“ soll eine neue Möglichkeit anbieten, sein Kind nochmal ganz anders zu verstehen. Ist der Heranwachsende wirklich „hochsensibel“, wie im Konzept von Elaine Aron (Geschichte Hochsensibilität) beschrieben? Und wenn ja: sind seine hochsensiblen Wesensarten womöglich bisher in einem falschen Licht gesehen wurden, sind Reaktionen und Zuschreibungen erfolgt, die vielleicht gar nicht recht stimmten und dem Kind Unrecht taten? Brütet der stille, zurückgezogene Schüler zu Hause – von allen als langweilig und schüchtern angesehen - heimlich über allerhand physikalischen Experimenten, die seine Augen zum Leuchten bringen und seine Begeisterung entfachen? Und der Junge, der ständig ausflippt und als Choleriker abgestempelt wird, zu Hause so liebevoll und pflichtbewusst seine Tiere versorgt und rührend fürsorglich und treu mit seinem allerengsten Freund umgeht? Oder das Mädchen, das im Unterricht so nervös wird, dass ihm all die brillanten Sachen, die in seinem Kopf herumgeistern, erst wieder zu Hause einfallen? Was macht es mit diesen Kindern, wenn sie aus den verschiedensten Gründen nicht richtig gesehen werden? Nicht das zeigen können und dürfen, was in ihnen steckt? Und das nicht nur im kognitiven Bereich, sondern auch und vor allem in ihrer Persönlichkeit? Stimmig und realistisch müssen die Rückmeldungen sein, um daraus das Selbstbild zu formen und eine starke Persönlichkeit wachsen lassen zu können. Und das sind sie leider oft nicht.
„Komm raus, ich seh dich!“ nähert sich dem Thema Hochsensibilität und/oder Hochbegabung auf eine empathische Art. Es geht darum zu verstehen, wie das Innere „funktioniert“. Damit kann sich der Blick besser auf die Bedürfnisse des Kindes fokussieren, was bisherige „Urteile“ relativiert und manch anderem Aspekt auf einmal mehr Gewicht verleiht. Vor allem aber erfährt das Kind mehr Gerechtigkeit und Realitätssinn. Darum ist Verständnis der Bezugspersonen für das gesunde Selbstbild entscheidend und heilt so manche Verletzung durch Menschen aus dem Umfeld, die aus ihrer Sicht aus nachvollziehbaren Gründen verwundert, irritiert oder sogar abwertend auf das Verhalten des hochsensiblen Kindes reagieren.
Dann erfahren sie, - sie, die nun einmal auch anders ticken als die Gleichaltrigen - auch ok zu sein und verstanden zu werden. Das wirkt sich nicht nur entwicklungsfördernd und beglückend auf die Psyche aus, sondern bringt (häufig dann erst) ihr geistiges Potential zutage. Wahrgenommen zu werden ist somit Grundlage für ihren Erfolg. Diese Überzeugung teilen viele Psychologen, Reformpädagogen und Begabungsforscher - und sie wurde jüngst in einer sehr aufwändigen Studie vom australischen Wissenschaftler John Hattie nachgewiesen.
Aber, und hier kommt die Schule ins Spiel: inwieweit können Lehrer in diesen Wunsch, ihre Schüler realistisch wahrzunehmen, mit einbezogen werden? Schwer, das von ihnen zu verlangen. Deutschland bereitet seine Lehramtsanwärter - und das auch noch in jedem Bundesland unterschiedlich- entweder gar nicht oder nur sehr rudimentär auf diese psychologischen Aufgaben vor. Es steht und fällt somit mit ihrer von Haus aus mitgebrachten Persönlichkeit - was Schulerfolg, wie ich ihn definiere (Kinder zu starken jungen Erwachsene auszubilden, die ihr Potenzial kennen) - zum Glücksspiel macht. Außerdem werden an Lehrer immer höhere Erwartungen gestellt - wie auch Kinder und Eltern gleichermaßen und zweifellos unter immer höherem Druck stehen.
Mein Ansatz ist: warum nehmen wir uns hochsensible Kinder mit ihren feinen Antennen für Missstände nicht auch einmal zum Vorbild? Weil sie Kinder sind? Wie sehr können wir Erwachsene doch von ihnen lernen. Oder weil sie so sensibel sind? Abgesehen davon, dass die hochsensible Wahrnehmungsfähigkeit eine Art Frühwarnsystem für alle sein kann, ist sie neben so vielen anderen Fähigkeiten für sich genommen einfach wertvoll.
Hochsensible Kinder prangern mit ihrem "Leid" das an, woran es allen mangelt. An Ruhe, an Empathie für die Belange anderer Menschen, an Gelassenheit und damit auch an tragfähigen Beziehungen, die alle Kinder so brauchen. „Komm raus, ich seh dich!“ ist ein Plädoyer für seelisches Wachstum, Individualität und Fehlerfreundlichkeit. Wo man sich empathischer begegnet, sich die Mühe macht, die Beweggründe des anderen vor dessen Hintergrund zu verstehen - auch und gerade im Umgang mit Kindern - und Fehler nicht allzu überbewertet, da entstehen so viele Chancen und Potenziale. Wenn man diesen Gedanken etwas weiterspinnen würde, wäre das Ergebnis sicher sehr überraschend und entlastend für alle.
In jedem Fall kommt etwas großartiges dabei heraus, wenn Kinder gesehen werden. Sie trauen sich dann, sich in all ihren Farben zu zeigen. Doch wie bunt dürfen die Farben sein? Wer definiert „normal“? Die „normalen“, gedeckten Farben, die sich ähneln oder sich immer wieder wiederholen - sie braucht es genauso wie all die knalligen Farbkleckse, die auffallen. Erst, wenn die Vielfältigkeit, der Reichtum und die Schönheit des gesamten Bildes etwas zählt, dann fallen die Kleckse gar nicht mehr als zu positiv oder zu negativ auf. Sie sind da und gehören genauso dahin wie all die anderen Farben. Darum brauchen die Kleckse ein wenig Ermutigung zu strahlen und Anleitung, wie man sich dann geschickt in das Gesamtkunstwerk integriert.